Christiane Schlosser arbeitet mit der Bildfläche bzw. dem Bildträger als einem autonomen System. Organisation ist ein Thema, das alle Arbeiten prägt. Linien, Formen und Farben bilden abstrakte Einheiten innerhalb eines von der Künstlerin jeweils vorgegebenen ›Regelwerks‹ von Kombination und Reihung Motiv gewordener Elemente eines angewandten Vokabulars. Es entsteht ein Rhythmus, der wesentlich die optische Wahrnehmung bestimmt sowie die Leserichtung und die Lesegeschwindigkeit der Bilder. Bei näherer Betrachtung erweist sich die häufig anzutreffende Betonung von Linearem und dazu gehörenden Unterbrechungen als kreative Visualisierung zeitlicher Abläufe und Prozesse. Zudem wirken die Malereien und Zeichnungen oft wie ›Ausschnitte‹ aus größeren Struktur- und Farbkompositionen. Und dies unabhängig vom jeweiligen Format und Bildträger – darunter Tafelbilder, Zeichnungen (diese bis zu einer Größe von 130 x 200 cm!) und Wandarbeiten. Neben der Reduktion in Form und Linie findet in den Werken Christiane Schlossers eine Reduktion der Farbgestaltung statt. Die Beschränkung auf meist zwei aufeinander abgestimmte Farbtöne ist sowohl bei den Zeichnungen als auch bei den Gemälden die Regel. Die feinsinnige, nuancenreiche Behandlung der pastosen Maloberfläche trägt wesentlich zur Gesamtwirkung bei. Geschickt spielt die Künstlerin dabei mit der Wahrnehmung. So wird auf den ersten Blick nicht klar, was innerhalb des Bildraums Vordergrund was Hintergrund ist. Die Frage, welche Elemente positiv wiedergegeben sind und welche im bildnerischen Sinn negativ, bleibt offen. Selbst Aneinanderreihungen von Linien erweisen sich gegebenenfalls als Übermalungen. Die Vielschichtigkeit ist also wörtlich zu nehmen und erweist sich als beziehungsreich. Schließlich kann keine Abbildung die große Tiefe wiedergeben, die tatsächlich in jedem einzelnen Bild steckt. Man muss sich schon direkt davon überzeugen. Die Ordnungsgefüge in den Werken von Christiane Schlosser sind niemals starr oder gar schablonisiert. Muster werden allenfalls angedeutet, selbst die Begriffe Serie oder Ornament greifen hier zu kurz. Die stets in den Arbeiten ›eingebauten‹ gestischen Momente und die subtilen Variationen werden vor allem beim längeren Betrachten der Bildwerke deutlich sichtbar. Die Oberfläche enthält ein mitunter ›wellenartiges‹ Gepräge und wirkt auch deswegen wie bewegt. Mit der Organisation von Motiven im Raum setzt sich die Künstlerin in ihren in situ entstandenen Wandarbeiten in besonderer Weise auseinander. Eine herausragende Projektarbeit entstand 2006 im Künstlerhaus Schloss Balmoral. Dort hatte Christiane Schlosser mit blauer Acrylfarbe eine sich endlos windende Doppellinie auf eine helle Wandfläche gesetzt, diese Wand visuell ›bewegt‹ und damit den gesamten Raum geprägt. Ist die Wucht des Ausdrucks nur dem Bildträger und seiner großen Dimension zu verdanken? Wohl kaum, denn dieser freien Raumarbeit mit Installationscharakter liegt interessanterweise eine autonome kleinformatige Zeichnung zugrunde, in der dieselbe Motividee auf raffinierte Weise ihre eigene Wirkungsmacht entfaltet. Die lebendig strukturierte Oberfläche, der Christiane Schlosser viel Augenmerk schenkt, zieht den Betrachter in ihren Bann und fordert ihn unablässig dazu auf, sich in die Bilder zu versenken, sich auf deren Rhythmen einzulassen und so die von ihnen ausstrahlende Energie wahrzunehmen.
Franz-Xaver Schlegel
in Kunsttermine 1-2009